Beim Fahrwerk setzen die Briten auf Qualität der Hamburger Meyle AG
»Classic Cars« – klassische Autos – stehen aktuell hoch im Kurs. Deshalb wird die Automechanika, die weltweit größte Fachmesse für den Aftermarket der Automobilwirtschaft, diesen Fahrzeugen ab dem Jahr 2018 einen eigenen, neuen Austellungsbereich widmen. Denn mit der Faszination von Oldtimern und Youngtimern wird heute eine komplette Wertschöpfungskette u.a. mit Werkstätten und Teileherstellern gespeist, die ein Marktvolumen in Milliardenhöhe erwirtschaftet.
Sportwagen von Morgan: Kulturgüter mit unbeschränktem Zeitwert
Kaum einem zweiten zeitgenössischen Automobilunternehmen gelingt es, die Begeisterung für Classic Cars bei Automobil-Enthusiasten in solch hohem Maße zu mobilisieren wie der britische Sportwagen-Hersteller Morgan Motor Company. Das Unternehmen wurde im Jahr 1909 von Harry Frederick Morgan in Malvern Link, einem Stadtteil von Malvern in der Grafschaft Worcestershire, gegründet, wo sich bis heute dessen Produktionshallen befinden.
Morgan ist weltweit einziger Hersteller, der die klassische Fertigungstechnik
aus dem Kutschenwagenbau erhalten hat und praktiziert.
(Copyrights Morgan Motor Company / Blake Marvin Photography)
Die Familie Morgan – heute bereits in dritter Generation Firmeninhaber – hatte vor einiger Zeit beschlossen, nicht mehr als ein einziges neues Fahrzeugmodell pro Jahrzehnt herauszubringen. Die historische Marke soll keinesfalls durch schnelle Design- und Konzeptwechsel verwässert werden. So ist Morgan weltweit einziger Hersteller, der die aus dem Kutschenwagenbau stammende klassische Fertigungstechnik für Automobile erhalten hat und praktiziert: Sportwagen werden auf zwei Karosserierahmen aus Holz gebaut. Auf der Basis von viel Handarbeit und hochwertigen Materialien entstehen in Malvern Link lediglich vier Autos pro Tag – die Jahresproduktion liegt bei rund 1.000 Fahrzeugen.
Auf der Basis von viel Handarbeit und hochwertigen Materialien
entstehen in Malvern Link lediglich vier Autos pro Tag.
(Copyrights Morgan Motor Company / Blake Marvin Photography)
Auf diese Weise werden keine Produktionszahlen-Rekorde aufgestellt. Die herausragende Leistung des Unternehmens zeigt sich allerdings an anderen Zahlen. Zum Beispiel an der 75.000 – denn diese Zahl gibt ungefähr die Stückzahl der bisher ausgelieferten Sportwagen wider, von denen laut Angaben der Morgan Motor Company der Großteil bis heute in Betrieb ist. Morgans werden von ihren Besitzern offenbar als automobile »Kulturgüter« mit unbeschränktem Zeitwert betrachtet.
Dass Morgan eine klassische Automobiltradition einer eigenen Kategorie verkörpert, wird an einer weiteren Zahl deutlich: Seit dem Jahr 1936 stellt der Hersteller den Morgan 4/4 (Vierzylinder, vier Räder) her und hält damit den Weltrekord für das älteste, durchgehend nach einem Design-Konzept gefertigte Automodell. Der Morgan 4/4 wurde im Laufe der Jahre lediglich technisch angepasst, wurde etwa mit moderneren Motoren und Getrieben ausgestattet, um geltenden Gesetzen und Zulassungsbestimmungen zu genügen.
Seit 1936 ununterbrochen baut den Morgan 4/4
und hält einen Weltrekord.
(Copyrights Morgan Motor Company / Tim Wallace)
Classic Car-Konzept mit hohem technologischen Wert
Die Morgan Motor Company bewegt sich mit ihrem Classic Car-Konzept erfolgreich in einem Nischenmarkt – der Jahresumsatz liegt bei ungefähr 48 Millionen Euro. Doch wird das Unternehmen diesen Erfolg in der Nische nach über hundertjähriger Geschichte erhalten können?
Im Jahr 2000 stellte Morgan den Aero 8 vor,
dessen Aufbau auf einem geklebten und genieteten
»Monocoque« basiert. (Copyrights Morgan Motor Company)
Morgan hat längst begonnen, auf diese Frage selbst eine positive Antwort zu geben: Denn das Unternehmen hat erste Schritte unternommen, in neuen boomenden Märkten wie beispielsweise China oder den Emiraten präsent zu sein. Und um sein bewährtes Konzept für die Zukunft auch technologisch »fit« zu machen, hat Morgan zum einen seine handwerklichen Fertigungsmethoden fortentwickelt und zum anderen im Bereich wichtiger Fahrzeugkomponenten Entwicklungspartnerschaften mit kompetenten Zulieferunternehmen begonnen, die bestmöglich zu seiner Autoproduktions-Philosophie passen.
Den Aero 8 gibt es in einer Version als Roadster …
(Copyrights Morgan Motor Company)
… und in einer Version als Hardtop.
(Copyrights Morgan Motor Company)
Selbst ausgesprochene Automobilexperten wird erstaunen, dass genau in diesem Feld der Weiterentwicklung von Morgan, ein deutsches Unternehmen zum Zuge kommt, das nie zuvor als Zulieferer für die Produktion eines Autoherstellers aufgetreten ist. Zu dieser ungewöhnlichen britisch-deutschen Zusammenarbeit kam es folgendermaßen:
Im Jahr 2000 stellte der Sportwagen-Hersteller aus den Midlands den Aero 8 vor, der als Coupé und als Roadster verkauft wird und mit dem Morgan seine bisherigen Fertigungsmethoden revolutionierte. Der Aufbau des Aero 8 basiert auf einem geklebten und genieteten »Monocoque«, im Prinzip auf einer aufwändigen Aluminium-Schalen-Konstruktion. Hiermit gelingt es, die während der Fahrt des Sportwagens auftretenden Kräfte aufrund höherer Steifigkeit trotz deutlicher Einsparung von Masse wesentlich besser zu widerstehen als das bisher Morgan-typische Eschenholzgerippe. Obwohl das äußere Design dieses neuen Morgan sich deutlich an der traditionellen Linie der Vorgängermodelle orientiert, ist es durch den Schalen-Aufbau in der Konstruktion des Sportwagens gelungen, an Technologien anzuknüpfen, die sich beispielsweise beim Bau von Formel 1-Fahrzeugen bewährt haben.
Morgan und Meyle: Zwei Familienunternehmen mit gesteigertem Qualitätsanspruch
Als das Fahrwerk des Aero 8, ausgestattet mit Doppelquerlenkern an allen Rädern, vor einigen Jahren weiterentwickelt werden sollte, kam die Zusammenarbeit mit dem deutschen Unternehmen Meyle zustande. Die Motive dafür fasst Jon Graham, Supply Chain Engineer der Morgan Motor Company, zusammen: »Wir können nicht alles selbst von Hand herstellen und sind auf Zulieferer angewiesen, die das Qualitätsdenken genau wie wir verinnerlicht haben. Wir profitieren von den Innovationen anderer Unternehmen und suchten einen Partner, der uns auch beim Entwicklungsprozess begleitet.«
Entwicklungspartner wurde kein sogenannter »Erstausrüster« oder OEM (engl. Original Equipment Manufacturer – Originalausrüstungshersteller), sondern die Hamburger Meyle AG, die bisher ausschließlich Autoersatzteile entwickelt, fertigt und im freien Teilehandel unter den drei Produktlinien Meyle-ORIGINAL, Meyle-PD und Meyle-HD vertreibt. Wie hinter der Morgan Motor Company steckt auch hinter der Meyle AG ein Familienunternehmen: die Wulf Gaertner Autoparts AG. Das Unternehmen, das als Exportunternehmen für Kfz-Verschleißteile startete, kann auf eine Firmentradition bis in das Jahr 1958 zurückblicken und beschäftigt mittlerweile weltweit ca. 1.000 Mitarbeiter und konnte sich in 120 Ländern etablieren. Seit dem Jahr 1995 werden von dem Hamburger Hersteller unter der Markenbezeichnung MEYLE eigene, hochwertige und sorgfältig auf ihre Qualität geprüfte Ersatzteile für Pkw, Transporter und Nkw gefertigt.
Die Meyle AG, die als Exportunternehmen für Kfz-Verschleißteile
startete, kann auf eine Firmentradition bis in das Jahr 1958 zurückblicken
und beschäftigt mittlerweile weltweit ca. 1.000 Mitarbeiter und konnte sich
120 Ländern etablieren. (Copyrights Meyle AG)
In ihrem Geschäftsfeld »Freier Teilemarkt« ist Meyle wie Morgan im Bereich Classic Cars bemüht, Produkte einer eigenen Kategorie anzubieten, um sich dadurch im Markt durchzusetzen. Unter anderem hat Meyle Autoteile auf den Markt gebracht, die unter der Bezeichnung »MEYLE-HD-Teile« vertrieben und in vielen freien, nicht-Automarken-gebundenen Kfz-Werkstätten eingesetzt werden. Es handelt sich dabei im Vergleich zu den sogenannten Originalersatzteilen der Automobilhersteller um technisch optimierte Bauteile. Diese mit hohem Aufwand entwickelten Produkte übertreffen die Spezifikationen der Erstausrüstung insbesondere in den für Autofahrer und -halter relevanten Bereichen Qualität und Langlebigkeit. Deshalb gibt das Unternehmen auf alle Meyle-HD-Teile eine Garantie von vier Jahren.
Meyle gibt vier Jahre Garantie auf alle Ihre HD-Teile –
beispielsweise auf ihre Spurstangen: CNC-maschinell
bearbeitete Spurstangenköpfe in Spannvorrichtung.
(Copyrights Meyle AG)
Fahrwerks-Projekt für den neuen Aero 8: Meyle wird zum »First Tier«
Als Morgan und Meyle zusammenkamen, um gemeinsam an der Verbesserung des Aero 8-Fahrwerks zu arbeiten, trafen sich also Vertreter zweier Automobil-Unternehmen, die sich in ihren Märkten jeweils mit besonders hohen Qualitäts-Ansprüchen positionieren.
Meyle war als Entwicklungspartner mit seinen Ingenieuren von Beginn in das Fahrwerks-Projekt bei Morgan eingebunden. Ergebnis der Zusammenarbeit ist, dass in der aktuellen Version des Sportwagens unter anderem Meyle-ORIGINAL-Kugelgelenke, -Spurstangen, -Spurstangenköpfe, -Koppelstangen sowie -Aufhängungsbuchen des Hamburger Herstellers verbaut werden. Es handelt sich um wichtige Komponenten des Fahrwerks, die eine sichere und sportliche Straßenlage gewährleisten sowie das Fahrzeug beim Bremsvorgang stabilisieren.
Dieser »Ritterschlag« von Meyle durch Morgan und damit die Verwandlung in einen Erstausrüster, einen Lieferanten in erster Reihe, in einen – englisch – »first tier«, führt aber nicht dazu, dass das Hamburger Unternehmen, seine bisherige Geschäftsstrategie verändert. Entsprechend analysiert André Sobottka, Vorstand für Vertrieb, Marketing und Kommunikation bei Meyle: »Dass wir bei Morgan jetzt den Rang eines Tier-1-Lieferanten haben, bestätigt unseren Qualitätsanspruch. Unser Fokus wird auch in Zukunft auf dem Aftermarket liegen.«
Meyle-Teile werden streng nach unseren Vorgaben und Spezifikationen
hergestellt und geprüft. Zu sehen ist die Serien-Qualitätsprüfung eines
Traggelenk-Kugelzapfens, genauer: die Oberflächen-Rauhigkeitsmessung
an einem Kugelgelenkzapfen. (Copyrights Meyle AG)
Meyle sieht sich also trotz der besonderen OEM-Erfahrung als Akteur vor allem im hart umkämpften Sekundärmarkt der Automobilwirtschaft positioniert, in dem freie Werkstätten im harten Wettbewerb mit Markenbetrieben stehen. Ziel von Meyle ist es deshalb, diese freien Kfz-Betriebe dadurch zu unterstützen, dass der Arbeitsalltag der Mechaniker in den Werkstätten durch technisch optimierte Ersatzteile vereinfacht wird. Hohe Produktqualität soll helfen, Werkstatt-Kunden langfristig zu binden. Passend dazu lautet der aktuelle Slogan »Meyle – Driver’s best friend«. – Die Hamburger sind stolz darauf, dass zu dieser Gruppe der »driver« inzwischen auch Fahrer von exklusiven Sportwagen der Classic Car-Legende Morgan gehören.
Heinz W. Droste
Aufmacher-Foto: Morgan Aero 8 Roadster – Copyrights Morgan Motor Company