Die Konzeptstudie eSolutions der Schaeffler AG spiegelt eine Reihe von Lösungen des international aufgestellten Automobilzulieferers aus Herzogenaurach zum Thema Elektromobilität wider. (Bildrechte Schaeffler AG)
Die Zuliefer- und Teileindustrie soll zukünftig noch mehr Verantwortung bei der Entwicklung innovativer Komponenten und ganzen Systemen in Automobilen übernehmen. Uns interessiert, wie das funktionieren kann und welche technologischen sowie wirtschaftlichen Herausforderungen dabei auf die deutsche Zulieferbranche im Detail zukommen. Um Hintergründe und Trends zu beleuchten, sprachen wir mit Professor Dr. Ferdinand Dudenhöffer, einem der gefragtesten Branchenexperten. Er ist Direktor des CAR-Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen sowie Inhaber des dortigen Lehrstuhls für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft.
Wir starten das Gespräch, indem wir nach der aktuellen Bedeutung der Zuliefer- und Teileindustrie fragen. Ist es angemessen von „hidden champions“ zu sprechen?
Ferdinand Dudenhöffer stimmt zu: „Die Leistung der Zulieferer ist die Voraussetzung dafür, dass deutsche Autos in Zukunft noch innovativer werden. Schon heute ist ihr Wertschöpfungsanteil bei der Fahrzeugentwicklung bedeutend. Er übersteigt den Eigenanteil der Automobilhersteller meist erheblich. Wie stark – das variiert allerdings von einem zum anderen Hersteller.“
Im Schaeffler Hybrid-Fahrzeug präsentiert das Unternehmen den innovativen Radnabenantrieb eWheel Drive – dabei handelt es sich um einen hochintegrierten Radnabenantrieb, bei dem sämtliche für Antrieb, Verzögerung und Fahrsicherheit notwendigen Bauelemente wie Elektromotor, Leistungselektronik und Controller, Bremse sowie Kühlung Platz innerhalb der Felge finden. ( Bildrechte Schaeffler AG)
Danach sprechen wir den Duisburg-Essener Automobilexperten auf die wichtigsten gemeinsamen Entwicklungsprojekte für Automobil-Hersteller und Zulieferer in den nächsten Jahren an. Er verweist auf zwei wichtige Visionen: Zum einen auf das richtungsweisende „Null-Emissions-Auto“ – bereits im Jahr 2020 dürfen in der EU verkaufte Neuwagen nicht mehr als 95 Gramm CO2/km emittieren -, zum anderen auf die Vision „Null-Verkehrstote“, die durch die Entwicklung selbstfahrender Kfz realisiert werden soll.
13. CAR-Symposium: Zulieferer bereits unterwegs in die Zukunft
Als eines der wichtigen Projekte sieht Dudenhöffer vor diesem Hintergrund die Entwicklung von Energiespeichern für den Elektro-Automobilbau. Erst durch leistungsfähige Speicher mit einer hohen Energiedichte können Elektroautos Reichweiten erzielen, die denen heutiger Pkw ebenbürtig sind. Weiterhin wichtig ist die Entwicklung von Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen, also von Kfz mit Hybridantrieb, deren Batterie zusätzlich über das Stromnetz extern geladen werden. Angesichts der Altersentwicklung der Bevölkerung hält Dudenhöffer die technische Realisierung des automatisierten Fahrens für ein bedeutendes Zukunftsprojekt. In ungefähr 20 bis 30 Jahren können wir uns von unserem Fahrzeug entspannt beim Stadtbummel chauffieren lassen. Auf Autobahnen und Landstraßen wird automatisiertes Fahren vermutlich schon früher Realität.
Unter Ferdinand Dudenhöffers Federführung findet jährlich das CAR-Symposium statt, ein Kongress, auf dem Spitzenmanager der Automobil- und Zulieferindustrie referieren. Beim diesjährigen 13. CAR-Symposium in Bochum zeichnete sich ab, wie erfolgreich die führenden deutschen Zulieferer derzeit sind, die wesentlichen Entwicklungs-Schritte anzugehen. Einer der Hauptredner war der Vorstandsvorsitzende der Continental AG, Dr. Elmar Degenhard. Das Unternehmen mit dem Reifen-Image hat nicht nur zahlreiche Bauteile für Elektroautos marktreif entwickelt, es produziert das Gros bereits in Großserie. Und auch bei der Umsetzung des hoch automatisierten Autos ist Continental längst über Gedankenspiele hinaus und erprobt eigene Technologie auf öffentlichen Straßen in Nevada in den USA. So konnte der Conti-Chef auf dem Car-Symposium zusammenfassen: „Als Systemlieferant sind wir bestens aufgestellt, um bis 2025 schrittweise das vollautomatisierte Fahren in bestimmten Fahrsituationen serienreif zu entwickeln.“
Nach den technologischen Herausforderungen sprachen wir Ferdinand Dudenhöffer auf die wichtigsten kommenden wirtschaftlichen Erfolgsbedingungen der Zuliefer- und Teilindustrie an. Er verwies auf die internationale Marktentwicklung: „Im Jahr 2013 werden voraussichtlich 68 Mio. Fahrzeuge weltweit verkauft. Die Prognosen für das Jahr 2025 liegen heute bei einem jährlichen Absatzpotential von über 100 Millionen Fahrzeugen – wobei die Wachstumsimpulse schwerpunktmäßig aus Asien kommen werden.“
Continental ist für den Trend zur Elektrifizierung des Autos bestens gerüstet. Das beweist der internationale Automobilzulieferer mit einem zum Elektroauto (EV) umgerüsteten Serienfahrzeug. In dem Fahrzeug kommen rund 40 EV-spezifische Komponenten des Unternehmens zum Einsatz: Vom Motor über den Akku und die Leistungselektronik bis hin zum neuartigen Anzeige- und Bedienkonzept und der gesamten Peripherie für Antrieb und Ladung sowie speziellen Reifen (Conti.eContact). Dabei ist das Gros der EV-Bauteile marktreif oder wird bereits in Großserie produziert. (Bildrechte Continental AG)
„Wer nicht wachsen will, ist jetzt schon tot!“
Diese Wachstums-Entwicklungen passiv zu beobachten, ist für die Branche offenbar keine wählbare Option:
„Die nächsten Jahre sind durch eine internationale Automobilwirtschaft geprägt, in der sich für Unternehmen durch erhebliches Wachstum entsprechend umfangreiche Größenvorteile und Kosteneinsparungs-Möglichkeiten ergeben. Wer in der zukünftigen Konkurrenzsituation bestehen will, muss selbst eine Wachstumsmaschine werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Wer nicht wachsen will, ist jetzt schon tot. Zur Zukunftssicherung sollten Zulieferer parallel mit dem Markt um 40 Prozent wachsen. Wer mehr will als Zukunftssicherung, wie beispielsweise die Continental AG, sollte sogar über 50 Prozent zulegen. Dennoch müssen sich die Unternehmen natürlich davor hüten, Fehler zu machen.“
Die größten Fehlerquellen für mittelständische Zulieferer sieht der Branchenexperte bei der notwendig werdenden Internationalisierung und der Finanzierung des Wachstumsprozesses. Zulieferer müssen exakt analysieren, in welcher internationalen Wachstums-Region sie mit ihren Investitionen in neue Produktionsstätten die größte Wirkung erzielen können. Eine gute Strategie sollte es sein, seinem Kunden in die jeweiligen Länder zu folgen, sich also „an die Fersen des Autoherstellers zu heften“.
Für die internationale Expansion sind Zulieferunternehmen auf ein solides Eigenkapital-Polster angewiesen. Die eigen-erwirtschafteten Mittel reichen laut Dudenhöffer in der Regel nicht aus, um die notwendigen Wachstumsschritte vorzufinanzieren. Traditionelle Familienunternehmen sollten sich in dieser Situation nach passenden Kapitalgebern umsehen. Gegebenenfalls bietet es sich an, am internationalen Standort ein Joint Venture zusammen mit einem Partnerunternehmen zu gründen. Beim Thema finanzielle Solidität warnt der Experte recht unverblümt: „Internationalisierung ist nichts für Sanierungsfälle. Es ist wichtig, dass zu Hause der Laden läuft, sein Unternehmen auf gesunden Füßen steht.“
Erfolgs-Rezept für die zukünftigen Herausforderungen
Als wichtigste Wachstumsmärkte sieht er in Osteuropa Russland, in Westasien die Türkei, in Süd-, Südost- und Ostasien Indien, Vietnam, Indonesien, vor allem China, auf dem amerikanischen Kontinent Mexiko und Brasilien.
Momentan beobachten Wirtschaftsfachleute eine Abschwächung des Wachstums der chinesischen Wirtschaft. Wir fragten danach, ob sich diese Entwicklung auf die Zukunfts-Prognosen der internationalen Automobilwirtschaft niederschlagen könnte: „Nein – denn während die Nachfrage in Westeuropa negativ wächst – schrumpft -, wird Asien kontinuierlich stark wachsen, auch wenn die Wachstums- Zunahmen in der einen oder anderen Region periodisch schwanken sollten.“
Zum Abschluss fragen wir danach, ob es so etwas wie ein Erfolgs-Rezept für die zukünftigen Herausforderungen gibt:
„Zulieferer sollten im Auge behalten, die eigene technologische Kompetenz zu stärken und ihre Innovationsfähigkeit auszubauen. Aber auch das Absichern der eigenen Wettbewerbs-Position ist wichtig. Deshalb ist es optimal, zusätzliche geschäftliche Standbeine zu haben – zum Beispiel durch Produkte und Dienstleistungen im Aftermarket. Hier können unabhängig von den Modell-Entwicklungs-Zyklen einzelner Autobauer solide Umsätze gemacht werden, um das eigene Überleben und Fortentwickeln zu sichern.“
Professor Dr. Ferdinand Dudenhöffer ist einer der gefragtesten Branchenexperten. Er ist Direktor des CAR-Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen sowie Inhaber des dortigen Lehrstuhls für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft. Eines seiner aktuellen zukunftsweisenden Projekte ist RUHRAUTOe – ein großes Car-Sharing-Programm mit einer reinen Elektroautoflotte oder zum monatlichen Rabatt- und Incentivestudie für den deutschen Automarkt. (Bildrechte: Universität Duisburg-Essen)
Heinz W. Droste