Im Frühjahr diesen Jahres (2013) wurde in Halle an der Saale die erste deutsche Fachmesse für Smart-Repair – die IASRE (International Automotive Smart Repair Exhibition) – aus der Taufe gehoben. Über 700 Besucher aus dem In- und Ausland nutzten diese Messe-Erstauflage, um sich bei Ausstellern und Dienstleistern aus Deutschland, Europa sowie den USA über moderne „sanfte“ Instandsetzungs-Methoden zu informieren. Das war Anlass für uns, mit dem Veranstaltungs-Initiator und Geschäftsführer des Verbands des Deutschen Ausbeul- und Hagelinstandsetzungsgewerbes (BVAT e.V.) Dr. Wolf Henning Hammer über die Hintergründe innovativer Karosserie-Instandsetzung zu diskutieren.
Über 700 Besucher aus dem In- und Ausland
besuchten die erste deutsche Fachmesse für
Smart-Repair – die IASRE 2013 (International
Automotive Smart Repair Exhibition.
Die Planungen für die IASRE 2014, die
vom 21. – 23.02.2014 stattfinden wird, laufen
bereits auf Hochtouren.
(Fotorechte: BVAT)
Automotive Reporter:
„Herr Dr. Hammer: ‚Ausbeulen auf die sanfte Art’ – wie passt das in die ansonsten so ‚robuste’ Welt der Kraftfahrzeugtechnik?“
BVAT:
„Das passt gut – denn kurz gesagt geht es bei der sanften Instandhaltung nicht etwa um oberflächliche ‚Kosmetik’. Stattdessen werden dabei Dellen und andere Verformungen an der Karosserie rückstandsfrei herausgedrückt oder -gezogen. Alu- oder Stahlbleche erhalten ihre ursprüngliche Form zurück.“
Automotive Reporter:
„Das ist offenbar die Theorie – wie funktioniert das in der Praxis?“
BVAT:
„Das erläutere ich an zwei Grundtechniken, mit denen unsere Mitgliedsbetriebe routinemäßig arbeiten. Da ist zum ersten die sogenannte ‚Drücktechnik’. Damit wird das Blech des beschädigten Karosserieteils von der Unterseite punktuell bearbeitet und durch sanften Druck quasi in seine ursprüngliche Form ‚zurückmassiert’. Um nach der Entfernung der Fahrzeug-Innenverkleidung an den Punkt der Verformung zu gelangen, nutzen die Instandsetzer eine Vielfalt von Hebelwerkzeugen sowie zur Verlängerung unterschiedlichste Umlenkungen und Gelenke. Sollte das Blech nach dem Drücken noch Überdehnungen aufweisen, werden diese durch das gefühlvolle Bearbeiten mittels eines speziellen Teflon-Schlagwerkzeugstifts mit Metallkern behoben. Der Ursprungszustand der Karosserie ist danach wieder hergestellt.
Mittlere und großflächige Beschädigungen – etwa an den Dachholmen – sind für die beschriebenen Ausbeulwerkzeuge häufig unzugänglich. In diesen Fällen wird mit der zweiten, der sogenannten ‚Klebetechnik’ gearbeitet. Dabei werden unterschiedlich große Stempel und Haftpads mittels Spezialkleber aus einer Heißklebepistole positioniert. Ohne den Lack zu beschädigen, gehen sie mit der Karosserie eine feste Verbindung ein. Unsere Dellentechniker setzen anschließend ihren Zughammer an den Stempeln oder Pads an und ziehen Verformungen vorsichtig nach außen. Im Anschluss können die aufgeklebten Anfasshilfen wieder rückstandsfrei entfernt werden. Nachdem vereinzelte Überdehnungen mit dem beschriebenen Teflonstift nachgearbeitet wurden, ist die Reparatur an dieser Stelle abgeschlossen.“
Automotive Reporter:
„Aus der Sicht der Autofahrer und Autohalter gesehen, was ist der Vorteil dieses Vorgehens gegenüber klassischen Reparatur-Methoden?“
BVAT:
„Sie meinen im Vergleich zu Abschleifen, Spachteln und Neulackieren? Da kommt eine Menge zusammen – das Wesentliche in Kurzform: Da der Originallack erhalten bleibt, wird der Wert des betroffenen Kfz nicht gemindert. Die Reparatur erfolgt kostengünstiger und schneller. Ressourcen sowie die Umwelt werden geschont, denn es sind weniger Ersatz- und Neuteile einzubauen, Belastungen durch Lack- und Lösungsmittel-Einsatz entfallen.
Ein Messe-Highlight war die erste
deutsche „Dellenolympiade“, bei der
die Smart-Repair-Profis ihr Können
unter Beweis stellen konnten.
(Fotorechte: BVAT)
Automotive Reporter:
„Autohäuser und Kfz-Werkstätten: Sehen die Ihre Mitgliedsbetriebe angesichts dieser Vorteile als lästige Konkurrenz?“
BVAT:
„Nein – im Gegenteil. Durch die Zusammenarbeit mit unseren Betrieben können auch sie Autofahrern unsere innovative und kostengünstige Reparatur-Alternative anbieten. Dellendrück-Profis bieten Kundenbetrieben professionelle Schadensbeseitigung, verfügen über ein verlässliches Instandsetzungs-Kalkulations-Modell und bieten bis zu sieben Jahre Garantie auf die ausgeführten Arbeiten. Und im Fall von großen Hagelstürmen ist die Zusammenarbeit mit BVAT-Mitgliedsbetrieben beinahe unumgänglich. Hagelkatastrophen ereignen sich vorwiegend in den Sommermonaten und zu Ferienzeiten, wenn personelle Engpässe in Autohäusern und Werkstätten wahrscheinlich sind.“
Automotive Reporter:
„Über das Dellendrücken hinaus: Was können Ihre Hagelinstandsetzer in dieser Situation, das andere Kfz-Betriebe nicht können?“
BVAT:
„’Hagel-Großereignisse’ sind sozusagen unser Heimspiel – egal an welchem Ort in Deutschland oder Europa. Denn in der Hagelsaison – von April bis Oktober – beobachten unsere Mitgliedsbetriebe mit Hilfe von Internet-gestützten Wetter-Informationsdiensten kontinuierlich, in welchen Regionen in größerem Umfang Hagelschäden an Fahrzeugen auftreten.
Im konkreten Fall entscheidet das Unternehmens-Management zügig, ob es vor Ort aktiv wird. Falls es in der Schadensregion über keine eigene Betriebs-Niederlassung verfügt, wird umgehend eine temporäre Schadensabwicklungs-Station organisiert. Dazu wird im Hagelgebiet eine geeignete, momentan ungenutzte Halle gesucht. Ist diese ermittelt und angemietet kontaktieren die Mitarbeiter des Hagelinstandsetzungs-Unternehmens Autohäuser, Versicherungsagenturen und Kfz-Sachverständige, um sie auf die Installation der Station aufmerksam zu machen. Von diesem Zeitpunkt an werden systematisch Termine für Sammelbesichtigungen und Reparaturen der hagelgeschädigten Fahrzeuge abgestimmt.
Spätestens 48 Stunden nach Niedergang des Hagels können in der Regel die ersten Sammelbesichtigungen stattfinden. Die von den betroffenen Versicherungsgesellschaften beauftragten Gutachter erhalten in der temporären Station – zum Beispiel durch die Installation eines Lichttunnels – optimale Bedingungen, um die notwendigen zahlreichen Begutachtungen zügig durchzuführen.
Parallel nutzen Dellenspezialisten die Gelegenheit, um den betroffenen Autohaltern ihre Instandsetzungsmethode ‚live’ vorzustellen. Entscheiden diese sich daraufhin für eine sanfte Reparatur ihres Hagelschadens, werden Reparaturen terminiert und in den darauf folgenden Wochen in der temporären Station oder in einem Partnerbetrieb vorgenommen.“
Bei der Drücktechnik wird das Blech
des beschädigten Karosserieteils
von der Unterseite mit Hilfe von
Hebelwerkzeugen punktuell bearbeitet
und durch sanften Druck quasi in seine
ursprüngliche Form ‚zurückmassiert’.
(Fotorechte: Hagelschaden Centrum Douteil)
Automotive Reporter:
„Welche Partnerbetriebe kommen hierfür in Frage?“
BVAT:
„Unsere Dellenprofis kooperieren zum Beispiel mit den Mitgliedsbetrieben des Bundesverbands Fahrzeugaufbereitung (BFA), die in den jeweiligen Hagelschadensgebieten angesiedelt sind. Denn bei den Instandsetzungsarbeiten können sich Dellendrück- und Aufbereitungs-Profis optimal ergänzen:
Die Fahrzeugaufbereiter übernehmen zunächst die vorbereitenden Arbeiten, entfernen Verkleidungen aus den beschädigten Fahrzeugen und demontieren Geräteträger der Autoelektronik, die den Einsatz der Hebelwerkzeuge behindern. Auf diese Weise haben die Dellendrücker ‚freie Bahn’ und können sofort mit dem Einsatz ihrer Spezialwerkzeuge beginnen. Wenn sie mit ihrem Instandsetzungs-Part fertig sind, Dellen und Verformungen herausmassiert haben, übernehmen die Fahrzeugaufbereiter die Nachbereitung.
Diese arbeiten entstandene Druckspitzen aus dem Lack heraus, beseitigen etwaigen Kunststoffabrieb der Ausbeul-Werkzeuge, montieren die zuvor ausgebaute Verkleidung. Sollte durch den Hagelschlag auch Lack beschädigt worden sein, ist nun Gelegenheit, kleine und mittlere Beschädigungen per Spot-Repair aus der Welt zu schaffen.
Nach abschließender Politur und Innenreinigung steht das komplett instandgesetzte Fahrzeug zur Abholung bereit – dank durchgängig sanfter Reparatur gibt es also trotz verheerendem Hagel ein routinemäßiges ‚Happy End’ ohne Wertverlust.
Automotive Reporter:
„Passendes Schlusswort – vielen Dank für das Gespräch!“
Bildrechte Aufmacher-Foto: BVAT
Heinz W. Droste