Seit vielen Jahrzehnten sind die Produktion von High Performance-Automobilen und der Motorsport eng miteinander verbunden. Mit Hilfe des Rennsports gelingt es den Herstellern in diesem Bereich vorbildhaft, ihre Kundenzielgruppen zu begeistern und an sich zu binden. Das belegen Kunden- und Clubsportserien wie zum Beispiel der Porsche Cup, BMW M235i Cup, Audi TT Cup und einige mehr, die anlässlich diverser Veranstaltungen viele Tausend Fahrer, Fans und Zuschauer an Wochenenden an deutsche Rundkurse locken. Hier wird die Erlebnisqualität des Motorsports als Vehikel für besonders werbeträchtige Marketing-Spektakel genutzt.
Auch im Bereich der automotiven Zulieferindustrie gibt es Beispiele für eine enge Verbindung von High Performance-Technik und Rennsport. So bietet der international führende Bremsbelag-Hersteller TMD Friction mit seinen Marken Pagid und Pagid Racing nicht nur Bremsbeläge für High Performance-Serienfahrzeuge, sondern tritt zum anderen als Ausrüster bekannter internationaler seriennaher Rennserien und -teams an Rennstecken wie Nürburgring, in Le Mans, in Daytona, USA, in Shanghai, China, Dubai usw. auf.
An Bremsbeläge für Serien-Sportwagen und an Reibbeläge für Rennfahrzeuge werden recht unterschiedliche Anforderungen gestellt: Bei Serienfahrzeugen spielen Komforteigenschaften wie niedrige Geräuschentwicklung, angenehmes Pedalgefühl oder Vermeidung von Felgenverschmutzung eine Rolle. Im Rennsport sind es dagegen spezifische Eigenschaften in Bereichen wie Reibwerthöhe, Reibwertstabilität, Ansprechverhalten und Verschleiß.
Um zu erfahren, wie sich solch unterschiedliche Anforderungs-Kataloge unter „einen Hut“ bringen lassen und sich vielleicht sogar gegenseitig „befruchten“, sprachen wir mit Michael Schorn, Leiter des Engineerings und der Produkt-Entwicklung. Er ist bei TMD Friction verantwortlich für die Entwicklung neuer Bremsbeläge für den Rennsport sowie für die High Performance-Fahrzeugserien deutscher und internationaler Marken – unter anderem Porsche, Mercedes AMG, BMW M, Bugatti, Lotus, Aston Martin, Ferrari usw.
Wurde aufgrund von Erfahrungen bei Langstreckenrennen
entwickelt und wird heute bei vielen High Performance-
Straßenfahrzeugen eingesetzt: Bolzen-Technik zur
Verankerung der Reibmasse auf der Bremsbelag-Trägerplatte.
Automotive Reporter:
Herr Schorn zum Einstieg: Wie ist Ihr High Performance- und Rennsport-Produktbereich national und international in die TMD Friction-Gruppe integriert?
Michael Schorn, Pagid Racing:
In diesem Bereich ist TMD Friction mit der heute 100prozentigen Tochter bt Bremsentechnik aktiv. An deren Standort in Essen befindet sich unsere speziell für die Rennsport-Produkte ausgelegte Produktion. Am TMD Friction-Standort in Leverkusen betreiben wir unser Entwicklungs-Zentrum mit einer Prototypen-Fertigung und allen erforderlichen Prüfkapazitäten. Unser technischer Kundenservice sowie die Betreuung der Rennteams ist in Friedrichsdorf, Taunus, angesiedelt. Im wichtigen amerikanischen Markt betreiben wir einen eigenen Standort in Florida, von dem aus alle Rennsport-Aktivitäten in den USA koordiniert werden, sowie ein Entwicklung-Center und einen Produktionsstandort in der Nähe von Detroit.
Automotive Reporter:
Ist das Engagement im Bereich Rennsport-Produkte für Sie ein Marketingthema – wollen Sie vor allem für Ihre Werbung an der „Faszination Motorsport“ partizipieren?
Michael Schorn, Pagid Racing:
Nein – für uns ist der Rennsport eindeutig ein Wirtschaftsfaktor. Nicht umsonst sind wir als führender Ausrüster im Motosport unter anderem bei der WRC – Rallye-Weltmeisterschaft -, der Formel 3, Formel 3000, NASCAR, Tourenwagen-Meisterschaften und bei vielen Cup-Serien präsent. Für uns ist der Rennsport-Bereich ein interessanter Markt für Reibbeläge, die ständig anspruchsvollere Anforderungen zu erfüllen haben. Hier können und müssen wir mit unserer intensiven Forschung und Entwicklung unsere Produkte ständig weiter verbessern. Und dieser Markt wächst – unter anderem durch das zunehmende Kundensport-Engagement der Automobilhersteller – in Deutschland beispielsweise von Porsche, BMW, Audi und Mercedes Benz. Dabei werden Serienfahrzeug-Modelle aus dem High Performance-Segment für den Einsatz in diversen Rennsportserien weiterentwickelt. Selbstverständlich sind hierfür auf die einzelnen Fahrzeuge und Serien speziell zugeschnittene, Rennsport-taugliche Bremsbeläge zu entwickeln.
Automotive Reporter:
Was zeichnet Rennsport-taugliche Bremsbeläge aus?
Michael Schorn, Pagid Racing:
Hier steht die Bremsleistung im Vordergrund. Dabei sind neben der dauerhaft hohen thermischen Belastung ein schnelles Ansprechen und eine optimale Dosierbarkeit die wichtigsten Kriterien. Etwa speziell bei Serien, in denen die Verwendung von ABS nicht zugelassen ist, wird das extrem wichtig, um am spätest möglichen Bremspunkt die maximale Verzögerung ohne Blockieren der Räder zu erzielen. Weitere Schwerpunkte sind der Verschleiß bei Langstreckenrennen sowie spezielle Konzepte zur Verankerung der Reibmasse auf der Trägerplatte, um das Ablösen bei den dauerhaft hohen Temperaturen zu verhindern. Hierzu haben wir ein spezielles System entwickelt, welches inzwischen auch in vielen High Performance-Straßenfahrzeugen zur Erhöhung der allgemeinen Verkehrssicherheit beiträgt.
Automotive Reporter:
Gibt es weitere Fälle der Übertragung von Rennsport-Lösungen auf den High Performance-Bereich?
Michael Schorn, Pagid Racing:
Es gibt ein großes Feld der Überschneidung der speziellen Lösungen für den Rennsport- und für den High Performance-Bereich. So mancher Reibbelag, den wir für High Performance-Serienfahrzeuge entwickeln, muss Bedingungen erfüllen, die eher den Brems-Herausforderungen im Rennsport entsprechen, als dem, was für Standard-Straßenfahrzeuge optimal ist. Ein wichtiges Beispiel dafür sind unter anderem die Carbon-Keramik-Bremsen. Wegen der geringeren Wärmeleitfähigkeit und der höheren thermischen Festigkeit der Keramik-Bremsscheiben können hier sehr hohe Temperaturen erreicht werden. Beläge mit stabilem Reibverhalten zu entwickeln, die zudem auch noch die Geräusch- und Komfortanforderungen der Straßenfahrzeuge erfüllen, bedeutet deshalb eine große Herausforderung. Hierbei können wir viele Erkenntnisse aus der Rennsport-Entwicklung nutzen. Der Aufwand lohnt sich. Das sehen wir auch an der Tatsache, dass heute eine zunehmende Anzahl von High Performance-Automobilherstellern Keramik-Bremsen zusammen mit unseren Bremsbelägen einsetzen.
Michael Schorn – Fotorechte: TMD Friction
Profil Interview-Partner Michael Schorn
- Studium: Maschinenbaustudium (Dipl. Ing FH) – Schwerpunkt Kraftfahrzeugtechnik
- Wichtige Karriereschritte: Versuchsingenieur bei ITT-Teves, Frankfurt; Leiter Bremsentechnologie-Entwicklung bei Ford, England und Köln; Leiter Entwicklung Radbremsmodule bei ITT-Teves, Frankfurt, Michigan/USA; Technischer Direktor bei Brembo, Italien
- Heutige Funktion: bt Bremsen Technik GmbH/Pagid Racing (TMD Friction) – Director Engineering & Product Development High Performance & Motorsport
bt Bremsen Technik GmbH
Schlebuscher Straße 99
51381 Leverkusen
Email: info@bremsentechnik.de
Internet: www.pagidracing.com
Fotorechte Aufmacher-Foto: Black Falcon
Heinz W. Droste